Was in Ägypten läuft, können wir - glaube ich - gar nicht verstehen.
Ich bin heute auf Ahmad Schafiq gestoßen. Er wurde unter Mubarak schon zum Präsidenten aufgebaut und kurz vor der Absetzung Mubaraks am 29.01.2011 von diesem als Premierminister eingesetzt. Außerdem war war er Mitglied im damals (noch) mächtigen Militärrat.
Anfang März 2011 musste er dann unter großen Protesten zurücktreten. Eigenartigerweise gründete er dann im im Herbst 2011 die Partei der Nationaldemokraten und unterlag bei der Wahl zum Präsidenten im Juni 2012 nur hauchdünn gegen Mursi.
Danach flüchtete er wegen eines Verhaftungsgesuchs auch über Interpol nach Saudi Arabien.
Nun gibt es verschiedene Berichte mit folgenden Aussagen, die ich gar nicht für so abwegig halte:
1. "Man" hat damals versucht, Mubarak scheinbar abtreten zu lassen, um traditionsgemäß wieder einen Mann des Militärs zu installieren (der dafür schon ausgesucht und aufgebaut war).
2. Noch während der Übergangszeit hat dieser dann eine Partei gegründet und man ging davon aus, dass er demokratisch gewählt wird, weil sich das Militär den Präsidentenposten nicht aus der Hand nehmen lassen will. Das ging leider schief mit weniger als 4% Stimmen in der Stichwahl.
3. Die Rolle des Militärs in den 16 Monaten nach Mubarak war keine gute.
4. Nach Mursis Wahl sorgten einflussreiche Leute dafür, dass z.B. Energie und Strom verknappt wurde (was seit letzter Woche wieder problemlos und in ausreichender Menge zur Verfügung steht - surprise!).
5. Dass das Militär den 30.6.2013 nutzen wird, um Mursi abzusetzen, war schon Wochen vorher bekannt. Sie brauchten einfach die Massenbewegung.
Ich glaube nicht (mehr daran), dass mittellose, zerstrittene Oppositionsbewegungen es alleine geschafft haben, 22 Millionen Unterschriften in 6 Wochen zu sammeln. Und ich kann mir einfach immer noch nicht vorstellen, dass das Militär sagt, weil die Straße es will, setzen wir den Präsidenten ab.
Weiterhin ist es mir unverständlich gewesen - abgesehen mal von allem Unmut über die Islamisten, wieso die Opposition geschlossen das Parlament verließ, sich an keiner Regierungsbildung und Gesetzgebungsverhandlungen beteiligte u.v.m. War es vielleicht schon von langer Hand geplant, dass man Mursi auflaufen lassen und eine Situation schaffen will, um ihn absetzen zu können und das vor dem Volk zu rechtfertigen? Um dann wieder den alten Status für die "Elite" herzustellen wie eh und je?
Große finanzielle Hilfen von VAE, SA, Bahrein und Kuweit sind schon zugesagt. Das geht alles ganz flott. Strom und Benzin ist wieder ausreichend vorhanden. Die Bevölkerung jubelt dem Militär zu (sie müssten es besser wissen).
Ich bin bekanntermaßen kein Freund von Islamisten, aber was gerade in Ägypten geschieht, kann man mit der Berichterstattung in den Medien nicht mehr verstehen. Die alten Mubarak- und in Folge Militärkader holen sich gerade die Macht zurück. Bis zu irgendwelchen Wahlen wird sich die Situation für die Bevölkerung so verschlechtern, die Muslimbrüder "drehen durch", dass jeder nach "Ordnung" lechzt und und froh sein wird, einen Präsidenten wählen zu dürfen, der das Militär im Rücken hat und die Islamisten in Schach hält.
Martin Gehlen hat in der ZEIT einen Artikel geschrieben, der sich von allen anderen abhebt und der in die Richtung des Obenstehenden deutet. Verständlicherweise wird kein Journalist sich erlauben, mit noch klareren Worten die tatsächliche Situation zu beschreiben:
http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-07/aegypten-fuehrung-regierung-problemeNicht außer Acht lassen sollte man das Toshka-Projekt. Hier ist schon viel investiert worden und kann die alte Elite und ihre Verbündeten sehr sehr viel Geld verdienen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Toshka-Projekt80.000 Hektar hat das Militär gekauft:
http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/aegypten-ein-kuehner-wuestentraum-versandet/1888732.htmlWie denkt ihr darüber?