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Ben

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Lokale Machthaber vs. Zentralregierung
« on: June 10, 2012, 11:44:20 am »
Lokale Machthaber vs. Zentralregierung

Seit Monaten streiten Libyen und der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag über den Prozess gegen den Sohn des ehemaligen Machthabers Muammar al-Gaddafi, Saif al-Islam. Libyen will ihm den Prozess im Land machen, der IStGH fordert die Auslieferung nach Den Haag. Am Samstag gab es einen neuen Rückschlag.

Eine vierköpfige Delegation des Strafgerichtshofs, darunter die australische Anwältin Melinda Taylor, wurde nach Berichten von al-Jazeera und der unabhängigen libyschen Nachrichtenagentur Solidarity Press nach einem Gefängnisbesuch bei dem 39-jährigen Saif al-Islam in der Stadt Zintan von lokalen Machthabern festgenommen. Später bestätigte der IStGH die Festnahme.
Saif al-Islam GaddafiReutersSaif al-Islam ist seit November in Haft in Zintan

Es habe eine Reihe von Anrufen von der Regierung gebeten, mit der Aufforderung, die Anwältin freizulassen: „Aber wir sind Nationalisten und weigern uns“, sagte der Chef der Brigaden, Alajmi Ali Ahmed al-Atiri.

„Nach der Durchsuchung des Gerichtsteams fanden die Revolutionäre Briefe, die ihnen von Saif al-Islam gegeben worden waren, um sie einem seiner Helfer zu übermitteln“, erklärte er dem Nachrichtensender Al Jazeera zufolge. „Bei dem Besuch (im Gefängnis) wurden geheime Dokumente ausgetauscht, darunter ein von Saif al-Islam blanko unterzeichnetes Papier.“ In den Dokumenten erkläre der Gaddafi-Sohn, dass es keine rechtmäßige Regierung in Libyen gebe und er schlecht behandelt werde, sagte Al-Atiri.
Taylor sei nicht im Gefängnis, sondern unter Hausarrest, sagte er gegenüber Reuters.
In Haft seit November

Gaddafis zweitältester Sohn wurde im November vergangenen Jahres im Süden Libyens an der Grenze zum Niger gefasst - ein Monat nachdem sein Vater bei der Einnahme seiner Heimatstadt Sirte von Rebellen getötet worden war. Tripolis weigert sich nun, den Häftling, wie vom IStGH gefordert, in die Niederlande zu überstellen.

Dort liegen Haftbefehle gegen Saif al-Islam und Gaddafis ehemaligen Geheimdienstchef Abdullah Senussi wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Seitdem sitzt Saif al-Islam nun an einem geheimen Ort in Zintan, bewacht von Milizen.
Erster Prozess gegen Gaddafi-Vertrauten

Vergangenen Dienstag begann der erste Prozess gegen ein ranghohes Mitglied der Gaddafi-Regierung in Tripolis. Der frühere Chef des libyschen Auslandsgeheimdienstes, Busid Dorda, wird unter anderem beschuldigt, den Truppen seines Geheimdienstes die Tötung von Demonstranten befohlen und einen Bürgerkrieg geplant zu haben. Der Angeklagte, langjähriger Minister und libyscher UNO-Botschafter, weist die Vorwürfe zurück. Ende Juni soll die Verhandlung fortgesetzt werden.
Saif al-Islam

Gaddafis zweitältester Sohn galt lange als Reformer, stellte sich in den letzten Monaten der Herrschaft seines Vaters aber hinter das Regime. Saif al-Islam studierte im Ausland und unterhielt in den 90er Jahren enge Kontakte zum damaligen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider.

Mit der Verurteilung ehemaliger Regierungsmitglieder will die neue libysche Regierung der internationalen Gemeinschaft beweisen, dass sie faire Verfahren abhalten kann - auch gegen Saif al-Islam. Sie ersuchte den IStGH, sich bei der strafrechtlichen Verfolgung von Saif al-Islam für nicht zuständig zu erklären. Der Antrag auf Auslieferung solle zurückgenommen werden, hieß es erst Anfang Mai.

Der Chefankläger des Strafgerichtshofs, Luis Moreno-Ocampo, will davon aber nichts wissen. „Die Menschen haben gegen Gaddafi gekämpft, weil sie Gerechtigkeit wollten. Jetzt müssen wir ihnen helfen, diese auch zu bekommen.“ Er selbst hält Kontakt zu Saif al-Islam und betonte, dass er nicht misshandelt werde: „Er wird unter angemessenen Bedingungen in Gewahrsam gehalten“, sagte er erst vor wenigen Wochen.
Schwache Regierung als Problem

Neben Gaddafis Sohn sitzen aber noch Tausende Anhänger des früheren Regimes in libyschen Gefängnissen. Moreno-Ocampo forderte, dass sich „Libyen an die höchsten internationalen Standards halten“ müsse. Die Festnahme der IStGH-Mitarbeiterin zeigt eines der Grundprobleme Libyens: wie wenig Kontrolle die schwache Zentralregierung über die starken lokalen Machthaber hat. Denn nach wie vor unklar ist, ob die örtlichen Machthaber von Zintan überhaupt bereit sein werden, Saif al-Islam an Tripolis für den Prozess zu übergeben.

http://orf.at/stories/2124801/2124806/

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