Ihre Schule liegt im Einzugsbereich der Al-Nur-Moschee, eines der beiden Salafiten-Zentren in Berlin. Daher rührt auch der ständige Nachzug von arabischen Familien in dieses Gebiet. Sie sagt: »Diese Familien leben in großen Gebinden, in Clans.« Die türkischen Familien leben dagegen fast wie die Deutschen. Ihre Kinderzahl ist europäisiert, und sie sind Einzelfamilien. In der Schule bekommen die Kinder das zu essen, was ihnen schmeckt. Niemand muss Schweinefleisch essen, aber es werden auch Gerichte mit Schweinefleisch angeboten, weil es Schüler gibt, die diese Gerichte essen wollen. Obst und Gemüse gibt es immer umsonst, und belegte Brötchen sind für 30
Cent zu haben.
Die Mitarbeit der Eltern in der Schule lässt sehr zu wünschen übrig. Bei den Vätern ist diese Erlebniswelt völlig unterbelichtet. Bleibt der Schulerfolg aus oder gibt es Unregelmäßigkeiten, so ist die Schule natürlich schuld, der Lehrer faul, die Lehrerin dumm. Gewalt erlebt sie weniger an ihrer Schule. Es ist mehr die emotionale Verwahrlosung der Kinder, die sie stört. Es ist auch anders als früher, sagt sie. »Da haben die Kinder noch von zu Hause erzählt. Heute tun sie das gar nicht mehr. Sie sind darauf gedrillt, ja nichts von daheim zu offenbaren.«
Das große Thema der Schulversäumnisse, des Schwänzens, und das Problem, dass immer wieder Kinder vor Ferienbeginn in die Heimat fliegen und erst einige Tage nach Ferienende wieder in die Schule kommen, weil die Flugtickets dann billiger sind, überspringt sie mit flotten Sätzen. Alles hat sich eingeschliffen. Die Familien sind professionalisiert, sie haben ihre Ärzte, die alles Erforderliche bestätigen. Die Krankenkassen, das Schulamt und das Jugendamt sind nicht in der Lage, Sachverhalte zu ermitteln oder Dingen wirklich auf den Grund zu gehen. In einem eindeutigen Betrugsfall mit einem vom Arzt falsch ausgestellten Attest unter Missbrauch der Krankenversicherungskarte hat sie sich einmal an die AOK gewandt. Die Antwort: »Das interessiert uns nicht. Wenn die Ärzte zu viel abrechnen, schaden sie sich nur selbst. Wir zahlen eine Pauschale. Die Aufteilung machen die Ärzte untereinander.« Ich weiß nicht, ob das so stimmt. Aber wenn dem so ist, dann wundert mich auch der bekannte »flexible« Einsatz der Krankenkassenkarte nicht mehr. Kannst du ruhig machen, passiert nix, ist zum System geworden. Die Rektorin wäre für die Nürnberger Gangart: In den letzten zehn Tagen vor den großen Ferien kontrolliert die Polizei auf dem Flughafen alle Familien mit schulpflichtigen Kindern darauf, ob sie eine Schulbefreiung vorweisen können. In Neukölln würden solche Schulversäumnisse noch im Rahmen des Möglichen geahndet. In anderen Bezirken geschieht ihrer Kenntnis nach gar nichts mehr.
An dieser Stelle passt der Hinweis, dass mich zu Beginn der Sommerferien 2012 ein Hilferuf eines Neuköllner Gymnasiums erreichte: Man wisse nicht mehr, wie man die eigenmächtige Verlängerung der Heimataufenthalte über die Ferienzeit hinaus abstellen könne. Ohne von der Kollegin aus der Grundschule zu wissen, regte die Schulleitung ebenfalls Kontrollen schulpflichtiger Kinder an den Flughäfen an. Apropos, beim Thema große Ferien fallen mir noch die im Jobcenter zu dieser Zeit immer sprunghaft ansteigenden Anträge ein, mit der zum Zwecke der Fahrt in die Heimat die Genehmigung für – wie es im Behördendeutsch so schön heißt – Ortsabwesenheit beantragt wird. Schenkt man den Begründungen Glauben, warum man sich momentan leider nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen könne, sondern ein längerer Aufenthalt im Heimatland unbedingt erforderlich sei, so stehen wir jedes Jahr vor dem Phänomen, dass Vater, Mutter, Onkel, Tante oder andere nahe Verwandte gerade in den Sommerferien epidemieartig schwer erkranken. Doch zurück zu unserer Grundschulrektorin.
Auf die Frage, wie groß ihrer Einschätzung nach der Anteil der Familien ist, die sie als ihre Sorgenkinder bezeichnen würde, sagt sie 30 %. Die
****-Fälle sind fünf bis sieben pro Klasse. An denen kann man sich trefflich abarbeiten. Es beginnt damit, dass mehr als die Hälfte aller Eltern morgens im Bett liegt, wenn die Kinder zur Schule müssen. Der Fernseher hatte abends halt zu lange Besitz von ihnen ergriffen. Für die Kinder gilt das manchmal gleich mit. Das merkt man daran, dass sie um 11:00 Uhr im Klassenraum einschlafen.
Befragt nach den Kopftüchern bei kleinen Mädchen, berichtet sie, dass dies eher eine Spezialität bei den Araberfamilien ist. Und zwar bei den Familien, die sich im Transferbezug befinden. Arbeitende Eltern, insbesondere türkische, treten in diesem Zusammenhang selten in Erscheinung.
Sie ist eine der engagiertesten Gegnerinnen der Einschulung bereits mit 5½ Jahren. Sie sagt: »Was soll ich hier mit diesen Schnullerkindern? Sie sind noch nicht gruppentauglich, dazu sind sie oft auch noch entwicklungsverzögert, viele können nicht richtig sprechen, und eigentlich bräuchten alle ein Jahr Vorklasse.« Sie sagt, dass die Familien, die bewusst neben der deutschen Gesellschaft
her leben und diese auch ablehnen, in den letzten Jahren deutlich mehr geworden sind. Es passt auch alles gut zusammen. In der Siedlung gibt es schöne große Wohnungen, die Familien haben so viele Kinder, dass auch das Jobcenter die Wohnungen als angemessen akzeptiert, und die Moschee ist gleich um die Ecke. Der Anteil der Analphabeten nimmt zu, insbesondere durch den Zuzug von Roma-Familien, aber auch innerhalb der arabischstämmigen Community.
Ihr Steckenpferd sind der Schwimm- und Sportunterricht, das Duschen und die Körperhygiene. »Doch was soll ich machen?«, klagt sie. »Ich kriege Briefe von eigentlich funktionalen Analphabeten in perfektem Deutsch mit einem beigehefteten Attest vom arabischen Arzt, dass das Kind irgendwas am Öhrchen hat und nicht schwimmen darf.« Die Schulärztin ist überlastet, kann sich um den Fall nicht kümmern, und damit ist wieder alles geregelt.
Auf die Armut unter den Eltern angesprochen, reagiert sie gereizt. »Wenn elektronische Geräte ein Indiz für den Lebensstandard sind, dann geht es meinen Familien nicht schlecht. Wenn die Autos, die morgens vorfahren, ein Indiz für ihren Wohlstand sind, dann geht es meinen Familien sogar sehr gut.« Bildung und Teilhabe, ist das ein Thema bei Ihnen? »Ja, wir prüfen jetzt drei Berlin-Pässe, um 1,50 Euro erstattet zu bekommen. Noch einen Zettel und noch einen Zettel füllen wir aus. Außerdem gibt es 100 Euro für Schulmaterial, aber die landen natürlich wieder nicht beim Kind.«
Es ist alles ein bisschen düster, was die Rektorin mir erzählt. Wir gehen anschließend durch die Schule, treffen Kinder, scherzen und lachen mit ihnen, da sind die dunklen Wolken weg. Aber ich denke mir, so eine Schulleiterin wird wohl wissen, worüber sie redet.
Meine zweite Gesprächspartnerin ist in ihrer Wohnsiedlung ebenfalls nicht als Knutsche-Entchen bekannt. Seit 1972 ist sie hier. Sie kämpft für ihre Kinder, und dabei nimmt sie auf kaum etwas oder irgendjemanden Rücksicht. Als ich einmal mit dem Regierenden Bürgermeister ihre Schule besuchte, hat sie ihm unverblümt ihre Meinung gesagt. Ich fand es gut. Wie er es fand, weiß ich nicht.
Die kämpferische Frau hat die Widerstandsbewegung gegen das jahrgangsübergreifende Lernen (JüL) in Berlin angeführt und ist eine hartnäckige Gegnerin des Senats bei der Frage, ob Vergleichstests wie »VERA 3« wirklich überall Sinn machen. (Für die Nicht-Lehrer unter Ihnen sei darauf hingewiesen, dass dies die Bezeichnung für die Vergleichstests für Grundschüler der 3. Klassen ist.)
Meine Schulleiterin bekennt sich zum Widerstand, betont aber, dass sie weder etwas gegen Differenzierung noch gegen Tests habe. Nur müssten die Dinge auf die Kinder zugeschnitten sein. Und die meisten der Kinder in Neukölln haben einfach zu wenig Vorwissen. Sie haben kein Buch, keiner liest ihnen vor, und keiner spielt mit ihnen. Die Sozialkompetenz entspricht nicht ihrem Lebensalter. Kinder werden durch ihre Umwelt eben völlig unterschiedlich geprägt. Während die Kinder ihrer Schule noch an Dinge herangeführt werden, lesen Gleichaltrige an anderen Orten bereits selbständig. Deshalb hält sie weder von JüL noch von VERA 3 in ihrer Schule etwas: Weil die Grundvoraussetzungen der kommunizierenden Kompetenzröhren einfach nicht vorhanden sind. Weil Dinge von ihren Kindern gefordert werden, die sie nicht liefern können. Sie jedenfalls zieht Lernentwicklungsberichte solchen nicht aussagekräftigen Momentaufnahmen vor.
Ihre Klagen über die sich verweigernden oder nicht verstehenden Eltern sind die gleichen wie die von ihrer Kollegin. Papa und Mama nehmen wenig teil am Schulleben, die Resonanz bei Themenabenden ist gering, und allgemeine Elternabende haben eben keine Bedeutung, oder es ist schlicht zu mühselig hinzugehen. 87 % der Familien ihrer Schule sind nicht-deutscher Herkunftssprache, und 90 % sind von der Zuzahlung zu den Lernmitteln befreit. Aufgrund der Arbeitslosigkeit verharren die Eltern in Lethargie und Antriebslosigkeit. Die Menschen leben einfach in den Tag hinein. Ihr Aufstiegswille ist völlig verkümmert, und der Ehrgeiz, etwas aus ihrem Leben zu machen, ist, wenn er jemals da war, erlahmt. Somit erhalten die Menschen auch von außen keine Inspiration mehr. Erwerbstätige müssen sich immer auf Neues einstellen. Aber wer nur
zu Hause sitzt oder es maximal bis ins Café schafft, stumpft ab. Das Kind ist in der Schule abgegeben, und jetzt sollen die Deutschen mal machen. Dass die Zensuren auch eine Benotung ihrer Mitarbeit sind, dass sie selbst etwas zum Erfolg ihrer Kinder beitragen müssen, das verstehen sie nicht, oder sie hören einfach nicht hin. Sprachmängel können zum Selbstschutz auch hilfreich sein.
Es sind keine Vorwürfe, die die Schulleiterin formuliert. Es ist eine nüchterne, ungeschminkte Bestandsaufnahme ihres täglichen Ringens. Viele Kinder sind überbehütet und unselbständig. Sie werden viel zu lange gefüttert und von der Mutter angezogen. Ein Junge kam in die Schule und konnte nicht alleine essen, weil er das zu Hause nicht lernen durfte. Viele Kinder werden jeden Morgen in die Schule gebracht, obwohl der Schulweg kurz ist und sie nicht mal eine Straße überqueren müssen. Manchmal muss man schon einen Moment tief durchatmen.
Die Rektorin hat eine enge Kooperation mit der benachbarten Kindertagesstätte geschlossen. Beide Leitungen sprechen sich ab, welche Schwerpunkte sie bilden, wie sie die Kinder zum Beispiel an ein gesundes Frühstück gewöhnen. Obst und Gemüse gibt es hier wie dort jederzeit umsonst. Einen wachsamen Blick haben sie auf die Entwicklung der Mädchen. Frauen und Mädchen werden in den Familien oft überfordert. Von früh an müssen sie im Haushalt helfen oder auf kleinere Geschwister aufpassen. Die Jungen haben sehr viel mehr Freiheiten. Sie sind die kleinen Prinzchen, denen oft keine Grenzen gesetzt werden und die sich in der Schule nicht an Regeln halten können. Viele sind schon bei Schuleintritt verhaltensauffällig. Die Anzahl dieser Jungen hat in den letzten Jahren leider zugenommen. Die Erziehung zum King führt dazu, dass sie irgendwann merken, dass sie nichts von dem beherrschen, was einen tatsächlichen King ausmacht. Dann bleibt ihnen meist nur die Gewalt.
Analphabetismus der Eltern ist nicht das Hauptproblem an dieser Schule. Verschuldung schon eher. Bis zu dem Punkt, dass die Mieten nicht gezahlt werden. Dann muss das Quartiersmanagement ran und versuchen, den Eltern mit einer Schuldnerberatung zu helfen und zwischen Mieter und Vermieter zu vermitteln. Auf das Thema Schwarzarbeit angesprochen, antwortet sie, dass sie aufgehört hat, darüber nachzudenken. Es ist nicht ihr Job und auch nicht ihr Gebiet. Es würde sie unnötig belasten. Für Statussymbole scheint immer Geld da zu sein. Die sind eben wichtig, wichtiger als die Miete. Mit den arabischstämmigen Familien zu arbeiten sei nicht einfach. Sie fühlten sich immer sofort als Opfer. Jeder kritisiert uns, jeder will was von uns, und ständig werden wir angegriffen. Früher waren wir weiter, so empfindet sie es.
Besondere Bedeutung misst sie dem Kopftuch bei. An ihrer Schule gebe es keine kopftuchtragenden kleinen Mädchen. Sie lasse nicht zu, dass Kinder schon im jüngsten Alter auf eine bestimmte Rolle festgelegt werden, dass sie nicht Fahrrad fahren oder schwimmen dürfen. In diesen Dingen sei sie knallhart. Ob das denn ohne Konflikte abgehe, will ich wissen. Nein, beileibe nicht, sie habe schon viele böse schimpfende arabische und türkische Väter er- und überlebt.
Von einem Vater wurde sie als »General« betitelt, weil sie jeden Morgen im Foyer der Schule Aufsicht macht und darauf achtet, dass die Kinder ihre Mappen und Turnbeutel selber tragen. Sie sollen auch ohne Eltern in die Klasse gehen, um die schulischen Angelegenheiten allein mit der Lehrerin oder dem Lehrer zu klären. Auf diese Weise sollen sie Selbständigkeit und Eigenverantwortung lernen. »Da steht wieder die Rote«, musste sie sich von Eltern anhören, die diese Erziehungsmaßnahmen nicht richtig finden.
Sie versucht, die Eltern zur Mitarbeit zu gewinnen. Mit den Kompetenzen, die sie haben. Väter sollen ihre Jungen zur Fußball-AG begleiten, gemeinsam spielen und hinterher zusammen grillen. Weil zu wenige Väter kamen, wurde das Projekt eingestellt. Väter sollten auch bei der Gestaltung des Schulhofs helfen und Pflastersteine mit Schubkarren transportieren. Leider kamen die Väter nicht. Sie achtet darauf, dass ihre Kinder während des Ramadan nicht fasten, und rückt, wenn nötig, den Eltern auf die Pelle. Die Klassenlehrerin, der Klassenlehrer oder sie selbst ruft die Eltern an. Sie will nicht warten, bis unter 10-Jährige Kreislaufprobleme bekommen, nur weil die Alten nicht vernünftig denken können.
Ja, sie ist auch autoritär. Zum Beispiel, wenn es um Pünktlichkeit geht. Bei ihr gibt es keinen flexiblen Schulbeginn, bei dem die Kinder zwischen 7:45 und 8:15 Uhr kommen können. Angeblich sind sie dann entspannt, wenn der Unterricht beginnt, kommen nicht gehetzt mit rotem Kopf und müssen sich in der ersten Stunde erst einmal beruhigen. So sehen es jedenfalls die Schulen, die sich für jenes Modell entschieden haben. Sie habe damit keine guten Erfahrungen gemacht. Schulbeginn ist Schulbeginn, und da muss man pünktlich sein. Gerade bei den arabischen Familien ist es wichtig, dass sie Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit lernen. In den weiterführenden Schulen und am Arbeitsplatz werden diese Tugenden und Pünktlichkeit erwartet.
Viele der Lehrerkollegien stehen immer wieder vor der Frage, auf wen sie sich konzentrieren sollen oder wollen. Auf die Eltern oder auf die Kinder. Das macht sich an ganz praktischen Dingen fest. Viele Eltern geben ihren Kindern keine Schulbrote mit. Soll man in einer Cafeteria gespendete und von ehrenamtlich tätigen Menschen aus der Nachbarschaft belegte Brötchen, Süßwaren und Obst kostenlos oder zu minimalem Preis bereitstellen oder nicht? Braucht man eine Notfallkasse, um Kindern Schuhe und Jacken gegen die schlechte Witterung kaufen zu können? Soll man in der Klasse Ersatzschulmaterialien für Kinder bereithalten, die sie nicht mithaben – weil vergessen, von anderen Geschwistern verbummelt oder zerstört oder aber im elterlichen Chaos untergegangen?
Die eine Schule entscheidet alle diese Fragen mit Ja. Sie legt den Fokus auf das Wohl des Kindes. Es braucht Nahrung, es braucht Kleidung, und es muss dem Unterricht folgen können. Das Kind kann schließlich nichts für seine Eltern.
Die andere Schule entscheidet mit Nein. Sie sagt, auch wir sehen das Kind. Wir möchten, dass es lernt, sich um seine Sachen zu kümmern und zu Hause auch seine Bedürfnisse einzufordern. Treten wir an die Stelle des Elternhauses, fördern wir die Vollkasko-Mentalität und Faulheit nach dem Motto »Klappt doch, irgendjemand kümmert sich und löst mein Problem«.
Ich werde an dieser Stelle kein Votum abgeben. Jede Schule muss ihren eigenen Weg finden.
Der Mensch ist so, wie er ist. Ich erinnere mich an eine Geschichte aus meiner Zeit als Jugenddezernent. Gegenüber einer Kindertagesstätte befand sich ein Kinder-Clubhaus. Also ein freiwilliges Angebot der Freizeitgestaltung. Ich ordnete an, dass in der Kita nicht verbrauchtes Mittagessen nicht weggeworfen, sondern dem Kinder-Clubhaus zur kostenlosen Verteilung überlassen wird. Nach einem halben Jahr habe ich diese Anweisung widerrufen. Ein Teil der Eltern hatte seine Kinder im Hort abgemeldet, weil es nunmehr kostenloses Essen gegenüber im Kinder-Clubhaus gab. Ich habe das auf dem Konto Lebenserfahrung verbucht. Übrigens: Die Frage von Einwanderung war hier nicht tangiert.
Es ist immer dasselbe, was ich zu hören bekomme. Es geht um den Fernseher, der zu einem ausgesprochenen Hassobjekt für alle Außenstehenden geworden ist. Die Familie sitzt davor, und er erschlägt jeglichen Alltag. Ein Schulleiter sagte einmal: »Bei unseren Schülern läuft der Fernseher als optisch-akustische Tapete permanent mit. Er ist ein Familienmitglied.« Besonders dann, wenn es draußen dunkel, kalt oder nass ist. Outdoor-Leben findet nicht statt. Den Plänterwald – eine große Grünanlage an der Spree –, nur wenige Minuten entfernt, kennen viele Kinder nicht.
Aktiv werden viele Eltern immer nur dann, wenn ihre persönlichen Erwartungen nicht erfüllt werden. Die Schulleiterin berichtet mir von den Auftritten der Eltern, wenn das Kind beim Übertritt in die Mittelstufe keine Gymnasialempfehlung erhalten hat. Sie erinnert dann an ihre ständigen Ermahnungen, mit dem Kind zu üben. Doch gerade die Eltern, die sich am lautesten beschweren, haben damals nicht auf sie gehört. Jetzt ist sie schuld, und manchmal wird auch gern noch die Rassismuskarte gezogen.