Author Topic: Neukoelln ist ueberall  (Read 4582 times)

KarlMartell

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Re: Neukoelln ist ueberall
« on: November 04, 2012, 08:57:38 am »
Natürlich hat die Beantwortung dieser Fragen auch etwas mit dem Selbstbewusstsein zu tun. Unmissverständliche Ansagen wie: »Hier sind die Niederlande, hier gelten niederländische Sitten, niederländische Gesetze und sonst nichts«, oder entsprechend: »hier ist Frankreich …«, »hier ist
Österreich …«, sind für sich genommen nicht zu kritisieren. In Deutschland allerdings ist solch ein Satz schon arg verdächtig, aus dem Wahlprogramm einer rechtsradikalen Partei entnommen zu sein. Wer so etwas ausspricht oder niederschreibt, ist mindestens ein deutschtümelnder Konservativer, wenn nicht gar ein Rassist und Neonazi. Die organisierte Links-Empörung ist gut vernetzt und erfolgreich in unsichtbaren Repressionen. Es geht flink und leise, und unbotmäßiges Verhalten wird durch Auftragsentzug bestraft. Unser geschichtliches Erbe, das kollektive Schuldbewusstsein und der andauernde, rituelle Entschuldigungsdrang sind für einen gesellschaftspolitischen Diskurs nicht förderlich. Auch begünstigen sie Schubladendenken und jedwede Totschlagargumentation. Es ist schön, in und von Deutschland zu leben. Aber es ist peinlich, ein Deutscher zu sein. Die Antwort der griechischen Medien auf die Hilfe aus Deutschland in Form einer Karikatur der deutschen Regierungschefin als neuer Hitler verdeutlicht diesen Gedanken. Dieses Mantra empfinden viele als ungerecht und missachtend. Man stelle sich vor, in Deutschland würden Medien so mit der Staats- und Regierungsspitze eines anderen Landes umgehen.
Mein Eindruck ist, dass wir den Irrweg der nur beobachtenden Gesellschaft schon viel zu weit gegangen sind. Allein der Überlebenswille und der Fortentwicklungsdrang beinhalten den Anspruch, die Kraft der Gestaltung nicht dem Zufall oder bewusst außerhalb der Gesellschaft stehenden Kräften zu überlassen. Eine Gesellschaft ist nicht die zufällige und gewillkürte Menschenmenge, die in einem Staatsgebiet nach gleichen Gesetzen lebt und nach dem Prinzip der Windrose beliebig auswechselbar ist. Eine Gesellschaft ist eine Gemeinschaft. Wir sprechen die gleiche Sprache, wir haben eine gemeinsame Historie, wir erfreuen uns der Leistungen und sind stolz auf die Errungenschaften unseres Volkes im Laufe der Menschheitsgeschichte, aber wir tragen auch gemeinsam Verantwortung für Schuld und Verbrechen. Wir verneigen uns vor der Vergangenheit und suchen gemeinsam Inspiration zur Gestaltung unserer Zukunft. Schon aus dieser Überlegung heraus gefährden Parallelgesellschaften unseren Staatsaufbau. Weil sie außerhalb dessen stehen, was Bürger unseres Staates verbindet. Sie machen ihr Ding. Und deswegen können sie nicht Teilhaber und Partner der Integration sein. Sie sind eben kein Kegelclub. Sie sind Auswüchse des Separatismus.
Die Normensetzung darf nicht auf der Straße erfolgen. Auch nicht in Hinterzimmern, auch nicht in Religionsschulen. Die Normensetzung in der Demokratie erfolgt ausschließlich und ausnahmslos durch die verfassungsgebenden Organe, die unter der Prämisse, alle Gewalt geht vom Volke aus, durch freie Wahlen dazu legitimiert werden. Unsere demokratisch verfasste Gesellschaft steht nicht zur Disposition. Für niemanden, mit welcher Begründung auch immer. Die Gesetze dieses Landes gelten für jeden. Egal, ob, was und woran er glaubt.
Die Würde des Menschen ist unantastbar. So lautet nicht zufällig der erste Satz unserer Verfassung. Das heißt, die Würde jedes Menschen. Ob jung oder alt, Mann oder Frau, religiös oder nicht, Ethno-Deutscher oder Migrant, egal mit welcher sexuellen Orientierung – jeder Einzelne hat das Recht, in diesem Land als eigenständiges Individuum, als Träger von Rechten und Pflichten respektiert und geachtet zu werden. Niemand hat das Recht, einen anderen in seiner physischen oder psychischen Integrität zu beeinträchtigen. Die Würde und das Selbstbestimmungsrecht haben nicht hinter eine selbstdefinierte Familienehre zurückzutreten. Gewalt, auch familiäre Gewalt ist geächtet. Mädchen und Jungen gehen gemeinsam zur Schule. Wir respektieren die körperliche Integrität jedes Einzelnen. Und wir verheiraten niemanden gegen seinen Willen und ohne rechtlichen Schutz. Kulturelle Identität bedeutet nicht, dass wir uns ins 19. Jahrhundert zurückbeamen. Wir führen ja auch die Kinderarbeit und das Dreiklassenwahlrecht nicht wieder ein. Ein Serientäter ist keine kulturelle Bereicherung, sondern ein Störer des sozialen Friedens.
Beim Schreiben dieser vorstehenden Zeilen war ich sehr im Zweifel, ob alle Leser nachvollziehen können, welche Beweggründe es für sie gibt. Es sind Selbstverständlichkeiten, teilweise abgeschrieben aus dem Grundgesetz. Warum muss man sie dann wiederholen? Erklären uns doch alle Protagonisten des konfliktfreien Integrationsprozesses, das sei alles selbstverständlich:
Es gebe niemanden, der dieses Wertegerüst in Frage stelle. Mit Verlaub, liebe Leserin und lieber Leser: Das ist Quatsch und hat mit dem wirklichen Leben nichts zu tun. Gerade in den Vierteln der Bildungsferne sind Welten entstanden, in denen religiöser Fundamentalismus, archaische Familienriten und die alles legitimierende Gewalt bei sogenannten Ehrverletzungen eine Dominanz ausstrahlen, die fassungslos macht. Selbstjustiz, Scharia-Richter und -Vollstrecker sind keine Episoden aus dem Märchenbuch (siehe Joachim Wagner, Richter ohne Gesetz).
Eine engagierte und erlebbare Integrationspolitik muss das Wertegerüst der Gesellschaft nicht nur verteidigen, sondern die Werte auch einfordern. Kulturelle Identität ist kein Freibrief für tradierte oder archaische Lebenswelten oder Familienriten. Wieder nehme ich gerne Bezug auf Cem Özdemir. Er formulierte es einmal so: »Wer möchte, dass Kreuzberg im besten Sinne multikulturell bleibt, der muss eben nicht nur Schulen und Lehrer unterstützen sowie an die Verantwortung der Eltern appellieren. Der muss auch für Sicherheit sorgen und darf keine Parallelgesellschaft bzw. Parallelgerichtsbarkeit dulden, wo radikale Organisationen ›Abtrünnige‹ bestrafen, Schutzgelder erpresst werden, Arbeitgeber ihre Angestellten verprügeln und Drogenhändler unbehelligt ihren Geschäften nachgehen können.« Ich teile diese Sichtweise uneingeschränkt. Integrationspolitik muss auch fordernde und leitende Elemente beinhalten. Gerade Menschen aus Ländern mit gesellschaftlichen Systemen ohne feste Sozialstrukturen, ordnende Zentralinstanzen und Bindungen an humanitäre Werte brauchen eine neue Orientierung, manchmal auch Führung. Elementare Dinge sind nicht nur Bestandteil sozialpädagogischer Hinwendung, sondern müssen auch Bestandteil von Verbindlichkeiten und Sanktionen sein.
Die Gewissheit, dass alle Bürgerinnen und Bürger die Grundrechte eines jeden Menschen akzeptieren und im Zweifelsfall auch schützen, ist die Voraussetzung für gesellschaftliche Solidarität. Wenn sie fehlt, kann es weder ein Gefühl der Sicherheit geben noch die Überzeugung, Teil einer großen Familie zu sein, in der einer für den anderen einsteht.
Das Pflichtenheft des Miteinanders hat aber nicht nur Seiten für die Einwanderer. Eine Gesellschaft muss sich auch als integrationswillig und integrationsfähig definieren und präsentieren. Die Aufnahme neuer kultureller Einflüsse geht nicht immer reibungslos. Sie erfordert Toleranz und an vielen Stellen auch Hilfe wie eigene Rücknahme. Sich an Fremdes zu gewöhnen fällt Menschen mitunter schwer. Abwehr ist dann die Konsequenz. Abwehr führt zum Gefühl der Ausgrenzung beim anderen. Aus Abwehr und Ausgrenzung kann auch Feindschaft entstehen. An dieser Stelle ist die beobachtende Gesellschaft ebenso völlig fehl am Platze.
Da es eine solidarische Gesellschaft nicht ohne ein Gefühl der Gemeinsamkeit geben kann, ist es Aufgabe der gesellschaftlichen Kräfte, aktiv einzugreifen, um das Trennende abzubauen und das Verbindende zu stärken. Dazu reicht es aber nicht, persönliche Referenten schöne Formulierungen niederschreiben zu lassen und sie dann vor den Fernsehkameras moralisierend zu wiederholen. Nein, das erfordert entschlossenes Handeln. Ich wiederhole: Wir haben in Deutschland keinen Erkenntnismangel, sondern ein Handlungsdefizit! Gerade die Integrationspolitik ist bis heute ein gigantisches Spielfeld der Eitelkeiten, der Selbstgerechtigkeit und des Verbalradikalismus. Mir ist eigentlich kein Bereich der Politik geläufig, in dem so viel mit gekreuzten Fingern auf dem Rücken geredet wird wie hier. Ich komme später in anderen Kapiteln auf diesen Aspekt noch mehrmals zurück.
Jede Gesellschaft muss sich daran messen lassen, wie sie mit den Schwachen umgeht. Starke können sich einen schwachen Staat leisten. Schwache brauchen einen starken Staat, der sie schützt und der sie fördert. Deshalb müssen die staatlichen Institutionen Offenheit gegenüber Minderheiten zeigen. Sie müssen Diskriminierung ächten. Sie müssen ihnen helfen, sich in der neuen Heimat zurechtzufinden, ihnen verständlich machen, welche Erwartungen an sie gehegt werden und welche Unterstützung sie erhalten können, um diesen Erwartungen gerecht zu werden. Integration ohne die ausgestreckte Hand der Gemeinschaft ist nur schwerlich möglich. Ich glaube sogar, es geht gar nicht.
Über allem aber muss die Überschrift stehen: Für jeden ist klar, was man tut und was man nicht tut. Denn genau aus der Missachtung dieses lapidaren Grundsatzes entspringen die Reibungen im Alltag. Unser Alt-Bundespräsident Johannes Rau hat es in seiner Berliner Rede im Jahr 2000 so formuliert:
»Das Zusammenleben ist auch schwierig, und es ist anstrengend. Wer das leugnet oder nicht wahrhaben will, ist mit allen Appellen zu mehr Toleranz, Freundlichkeit und Aufnahmebereitschaft unglaubwürdig.Es hilft nichts, vor Problemen die Augen zu verschließen oder allein schon ihre Beschreibung als Ausländerfeindlichkeit hinzustellen.Es ist nicht schwer, in wohlsituierten Vierteln eine ausländerfreundliche Gesinnung zu zeigen. Schwerer ist es da, wo sich immer mehr verändert, wo man als Einheimischer die Schilder an und in den Geschäften nicht mehr lesen kann, wo in einem Haus Familien aus aller Welt zusammenwohnen, wo sich im Hausflur ganz unterschiedliche Essensgerüche mischen, wo laut fremde Musik gemacht wird, wo wir ganz andere Lebensstile und religiöse Bräuche erfahren.Schwer wird das Zusammenleben dort, wo sich manche alteingesessene Deutsche nicht mehr zu Hause fühlen, sondern wie Fremde im eigenen Land.Im klimatisierten Auto multikulturelle Radioprogramme zu genießen ist eine Sache. In der U-Bahn oder im Bus umgeben zu sein von Menschen, deren Sprache man nicht versteht, das ist eine ganz andere.Ich kann Eltern verstehen, die um die Bildungschancen ihrer Kinder fürchten, wenn der Ausländeranteil an der Schule sehr hoch ist. Ich kenne das aus eigener Erfahrung.Ich kann auch verstehen, wenn überdurchschnittlich hohe Kriminalität junger Ausländer und Aussiedler vielen Menschen Angst macht.(…)Ich engagiere mich von ganzem Herzen für einen Dialog der Kulturen und Religionen weltweit. Das ist eine wichtige Aufgabe. Ich habe sie allerdings nie als Ersatz dafür verstanden, dass wir uns ganz handfest um die praktischen Probleme des Alltags kümmern, die sich aus dem Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen im eigenen Land ergeben.« Johannes Rau stand nicht im Verdacht, ein Sympathisant des verdeckten Rassismus zu sein. Nicht umsonst trug er den Beinamen »Bruder Johannes«. Seine mahnenden Worte sind zwölf Jahre her. Haben wir daraus wirklich einen Arbeitsauftrag entwickelt und ihn entschlossen umgesetzt? Ich denke, nein. Gleichzeitig ist die Rede aber ein Beleg dafür, dass es schon im Jahre 2000 emotionale Bewegungen der Art in der Bevölkerung gab, dass der Bundespräsident sich veranlasst sah, das Thema aufzugreifen.
Das erinnert mich an ein weiteres Zeichen, das wir schon viel früher unbeachtet zur Seite getan haben. Der erste Ausländerbeauftragte der Bundesrepublik, Heinz Kühn, legte im Jahr 1979 ein Memorandum zur Ausländerintegration vor. Und er schrieb uns ins Stammbuch:
»Die schulische Situation der ausländischen Kinder und Jugendlichen ist durch einen unzureichenden Schulbesuch, eine extrem niedrige Erfolgsquote bereits im Hauptschulbereich und eine erhebliche Unterrepräsentation ausländischer Schüler an weiterführenden Schulen gekennzeichnet.(…)Beachtlich sind ferner auch die bei den ausländischen Eltern bestehenden Hemmnisse, die Bedeutung des Schulbesuchs für die Zukunftsentwicklung ihrer Kinder richtig einzuschätzen und ihnen schulbegleitend die notwendige Förderung zu vermitteln.« Dieser Text hätte auch in der Süddeutschen Zeitung oder der FAZ vom letzten Sonntag stehen können. Immer wieder stellt sich die Frage, warum diese Signale nicht beachtet und in politisches Handeln umgesetzt wurden. Nun ja: Deutschland ist kein Einwanderungsland. – Die Gastarbeiter gehen alle wieder nach Hause. – Multikulti regelt alles wie ein Naturgesetz. Solche wenn auch widersprüchliche Lebenslügen haben unsere Gesellschaft in den letzten 30 bis 40 Jahren geprägt. Es wird Zeit, dass wir uns von ihnen befreien.
Maulkorb und Scheuklappen – was tat die Politik?
Haben wir uns bisher mit der Theorie der Einwanderung und ihrer Auswirkung auf das tägliche Leben in einer Stadt beschäftigt, so geht es in diesem Kapitel um die Frage, wie die politische Kaste die Veränderungen um sich herum zur Kenntnis nahm und welche Handlungsaufträge sie für sich ableitete. Na ja, Dynamik sieht anders aus, aber wir hatten jederzeit alles im Griff. Sagte man, einige glaubten das sogar.
Die Prozesse der Segregation, also der fortschreitenden Entmischung ganzer Stadtviertel, haben wir bereits beleuchtet. Für das heutige Neukölln ist die Feststellung, dass diese Entwicklung im Wesentlichen als so gut wie abgeschlossen zu betrachten ist, keine Übertreibung. Der Bezirk hat sich im Großen und Ganzen sortiert. Die, die es sich leisten konnten und wollten – egal ob Ethno-Deutsche oder Einwanderer –, sind aus Nord-Neukölln weggezogen. Entweder haben sie im Süden ihr Häuschen gebaut, oder sie wohnen jetzt in einem anderen Bezirk mit höherem Sozialstatus. Heute vollziehen sich Wanderungsbewegungen auf diesem Sektor nur noch in Einzelfällen. Zum Beispiel bei Einwandererkindern, denen der Sprung auf der Bildungsleiter geglückt ist und die mit ihrem gestiegenen Selbstbewusstsein kokettieren. »Ich habe das Abitur nicht gemacht, um weiter im Ghetto zu leben.« Gerade Bildungsaufsteiger urteilen sehr streng über die, die es nicht geschafft haben, die aus ihrer Sicht nichts tun und nur abhängen. In Nord-Neukölln gibt es immerhin drei Gymnasien, die jährlich zwischen 150 und 200 Abiturienten hervorbringen. Das sind zwar weniger als das generelle statistische Soll der Einwandererkinder gemessen an ihrem Anteil an der jahrgangsgleichen Gesamtbevölkerung, führt bei vielen Erstsemestern der Neuköllnologie aber immer wieder zu Überraschungseffekten. Somit präsentieren die Nord-Neuköllner Schulen jedes Jahr eine beachtliche Menge junger Leute, die nicht nur insgesamt eine Bereicherung darstellen, sondern auch an ihren späteren neuen Lebensorten zum positiven Integrationserlebnis werden. Durch meine Besuche in den Schulen kenne ich nicht wenige von ihnen persönlich. Es gibt überhaupt keinen Grund, sie schräg von der Seite anzuschauen oder über ihre Herkunft die Nase zu rümpfen. Eventuell ist es sogar angezeigt, die Stirn zu kräuseln ob der Frage, warum die eigene Tochter oder der eigene Sohn nicht ebenso wohlgeraten ist.
Die vorstehenden Ausführungen finden sich so oder so ähnlich in jeder Integrationsbilanz, deren Fokus ausschließlich auf die Erfolge eingeengt wird. Manchmal noch begleitet mit dem Trompetenstoß: »Integration ist in Deutschland millionenfach gelungen!« Es gibt nur ein Problem: Ich weiß nicht, was uns dieser Satz sagen soll. Ich kenne niemanden, der bisher ernsthaft vorgetragen hat, dass es in Deutschland keine gelungenen Integrationskarrieren gibt. Natürlich gibt es sie, und zwar nicht zu knapp! Es sind die »unsichtbaren« Einwanderer, die wir als solche gar nicht mehr wahrnehmen. Es sind diejenigen, die ein so selbstverständlicher Teil unserer Sozialkontakte sind, dass man mit ihnen über Integrationsfragen gar nicht redet. Warum auch?
Gern kann ich mit einem Beispiel verdeutlichen, wen ich meine. Ein marokkanisches Ehepaar kommt nach Deutschland, um hier sein Glück zu machen. Anfangs erfüllen sich auch alle Träume. Doch dann erkrankt der Mann plötzlich an Lungenkrebs und stirbt. Die Frau steht im Alter von 27 Jahren mit einer Tochter, zwei Söhnen und einem Kind unter dem Herzen alleine da. Einem natürlichen Impuls folgend, geht sie mit ihren Kindern zurück nach Marokko. Doch die Kinder kommen dort nicht klar. Ihnen gefällt das Leben nicht, sie wollen zurück dahin, wo ihre Spielkameraden sind und wo es keine Prügelstrafe gibt. Die Mutter nimmt ihre Kinder und wandert ein zweites Mal nach Deutschland ein. In der Kita ihrer Kinder wird sie Reinigungskraft. Außer dem Kindergeld hat sie nie eine Sozialunterstützung erhalten. Die Tochter ist heute erfolgreiche Managerin für Musiker und Schauspieler, ein Sohn studiert Wirtschaftsingenieurwesen, einer ist Physiotherapeut und der dritte Industriekaufmann. Ich sehe bei meiner Arbeit viele Lebenswege, aber dieser nötigt mir Respekt ab.