Author Topic: Neukoelln ist ueberall  (Read 4584 times)

KarlMartell

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Re: Neukoelln ist ueberall
« on: November 04, 2012, 08:59:14 am »
Das sollte eigentlich der Normalfall sein. Aber wenn das so wäre, bräuchte ich dieses Buch nicht zu schreiben. Ich berichte über die Dinge, die seltener in den Erfolgsbilanzen stehen. Dass sich durch die Einwanderung auch Stadtviertel zu Elendsquartieren und Kiezen der Bildungsferne entwickelt haben. Und dass sie es sind, die uns Sorgen machen und um deren Willen ich eine andere, handlungsorientierte Integrationspolitik einfordere. Es geht nicht um weltoffene Abiturienten, egal welcher Herkunft und welchen Glaubens. Sondern es geht um die deutlichen Zeichen, dass in den Problemvierteln der religiöse Fundamentalismus auf dem Vormarsch ist und dass sich zumindest dort die Clans der organisierten Kriminalität immer ungenierter ausbreiten – das sind die Alltagsthemen der Menschen. Es sind die Erlebnisse im öffentlichen Raum, die ihre Einstellung prägen. Und es sind die Erfahrungen, die Eltern veranlassen, ihre Kinder woanders zur Schule zu schicken.
Als der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit im Dezember 2006 bei einem Interview auf N24 einmal äußerte, dass er Verständnis für alle Eltern habe, die nicht möchten, dass ihre Kinder in Kreuzberg zur Schule gehen, erhob sich ein Aufschrei der üblichen Verdächtigen. Wowereit wurde anschließend so lange »als Sau durchs Dorf getrieben«, bis er die Äußerung zurücknahm.
Einen routinierten Salto rückwärts legte erwartungsgemäß der Kreuzberger Bürgermeister hin. Er hatte Wowereit sofort empört aufgefordert, sich zu entschuldigen, weil dieser die Kreuzberger Schulen negativ stigmatisiert habe. Als Wowereit dann eine Woche später entnervt und devot kleinlaut seine Entschuldigung darbot und demonstrativ eine nette, schicke Kreuzberger Schule besuchte, entblödete sich derselbe Bürgermeister nicht, ihn wiederum zu kritisieren, weil er nunmehr eine funktionierende Schule besucht habe. Er hätte ihm gerne eine Schule mit Problemen und keine Vorzeigeschule gezeigt. Man muss in Berlin nicht alles verstehen.
Auch dem Schulleiter der Eberhard-Klein-Schule, Bernd Böttig, erging es zuvor nicht anders, als er 2005 in einem Interview mit dem Stern schonungslos die Verhältnisse an seiner Schule anprangerte: »Die meisten, die zu uns in die Hauptschule kommen, sind schon in der Grundschule gescheitert. Zwar ist die Integration in Berlin gescheitert, die Bevölkerung hier in Kreuzberg lebt sehr bewusst in ihrem selbstgeschaffenen Ghetto. Seit die letzten deutschen Schüler weg sind, haben wir hier weniger Probleme. Wir müssen uns nicht darum kümmern, die Deutschen zu integrieren.«
Das sind nur zwei kleine Beispiele dafür, dass es an Hinweisen auf die Lebensrealitäten in Berlin nicht mangelt. Ich könnte sie beliebig fortsetzen. Die kraftvollen Formulierungen von Politikerinnen und Politikern zur Einwanderung, zur Integration und auch zu Problemen einer Einwanderungsgesellschaft füllen in meinem Büro viele Schränke. Ich glaube sogar, die eine oder der andere wäre erschrocken, wenn nicht gar etwas verstört, wenn ich sie zitierte. Und trotzdem ist es in der praktischen Politik so, dass diese Themen nicht wirklich viele interessieren. Sie sind als »Schmuddelthemen« verpönt. Man kann sich damit auch keine Freunde machen. Sagt man die Wahrheit, gibt es sofort Stress, und im Ansehen wandert man in die rechte politische Ecke. Im schlimmsten Fall ist bei der nächsten Kandidatenkür das Mandat futsch.
Mir fällt in diesem Zusammenhang eine ehemalige migrationspolitische Sprecherin und Islambeauftragte der SPD-Fraktion des Deutschen Bundestages ein. Wir begegneten uns einige Male bei Podiumsdiskussionen. Solange sie das Mandat innehatte, kamen wir nicht recht zusammen. Ich glaube, sie fand meine Beiträge genauso schrecklich wie ich die ihrigen. Nachdem sie aber aus dem Deutschen Bundestag ausgeschieden war, avancierte ich zu ihrem heimlichen Fan. Plötzlich pflegte sie bei ihren öffentlichen Auftritten und den Medien gegenüber eine klare, unmissverständliche Sprache, nannte die Dinge beim Namen und hatte auch präzise Vorstellungen davon, was zu tun ist. Die Wandlung dieser Frau in ihrem öffentlichen Auftreten war für mich ein weiterer Beleg für meine These, dass in keinem Politikfeld so viel wider besseres Wissen geredet und gehandelt wird wie bei Integrationsfragen. Der in Berlin lebende türkischstämmige Schriftsteller Zafer Şenocak hat dieses Phänomen einmal sehr scharfzüngig beschrieben: »In den
nächsten Jahrzehnten werden wir es mit Tausenden beruflich unqualifizierten jungen Menschen auf unseren Straßen zu tun haben, die sozial chancenlos sind. Wer diese Missstände aber offen formuliert, bekommt ganz schnell seine Probleme mit der Gutmenschen-Mafia, die über Parteigrenzen hinweg bestens funktioniert.« Ob man sich diesen Formulierungen anschließen will, ist Geschmackssache. Der Sachverhalt an sich ist aus meiner Sicht nicht zu bestreiten.
Um die Unwilligkeit der Politik auch im Alltag und in Randbereichen zu dokumentieren, kann ich über folgendes Erlebnis berichten. Bei den Beratungen des Haushaltsplanes 2012/2013 trug ich im Berliner Landesparlament zur allgemeinen Lage des Bezirkes Neukölln vor, dass wir seit einiger Zeit starke Zuwanderungsströme aus den EU-Staaten Bulgarien und Rumänien zu verzeichnen haben. Da die zuziehenden Familien häufig kinderreich sind, würden unsere Schulen an die Grenzen ihrer Kapazitäten stoßen – es fehle sowohl an Räumlichkeiten als auch an kulturnahen, mehrsprachigen Lehrkräften und Sprachmittlern. Ich verwies auf zunehmende Unruhe in der ansässigen Bevölkerung. Auf diesen Hinweis fragte niemand, welche Unterstützung wir benötigen, wie viele Räume, wie viele Lehrer – weit gefehlt. Ich wurde von der Fraktion der Piraten aufgefordert, den latenten Rassismus zu unterlassen. So sind Realitäten.
Zur Armutswanderung innerhalb der EU werde ich noch zu einem späteren Zeitpunkt zurückkommen.
Es ist einfach so, dass keiner hören will, was sich in den sozialen Brennpunkten oder auch Problemgebieten oder Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf abspielt. In Berlin hat das sicher auch etwas mit meiner Person zu tun. Ich gehe der Belegschaft des Elfenbeinturms auf den Zünder. Aber das ist durchaus auch meine Absicht. Seit das System »Totschweigen« nicht mehr funktioniert, ist in der Landesliga Plan B »minimalistische Wahrnehmung« angesagt. So etwas führt schon zu fast kabarettistischen Verhaltensweisen. Als ich vor einigen Jahren von einem Besuch in Rotterdam einige überlegenswerte praktische Politikansätze mitbrachte und dies zu einer breiten Diskussion innerhalb der Parteien und Medien führte, entschied meine eigene SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses, »dass sie an Reiseberichten keinen Bedarf hat«. Dieser eigentlich unglaublichen Ignoranz und Arroganz folgte ein kleines, aber nachhaltiges politisches Erdbeben. Es verhalf mir zu einem Popularitätsschub, für den ich eigentlich heute noch honorarpflichtig wäre.
Ein fast kindisches Verhalten legte über viele Jahre der Integrationsbeauftragte des Landes Berlin an den Tag, indem er sich zu einem Bezirk mit 128 000 Einwanderern und ihren Abkömmlingen fast völlig abstinent verhielt. Es war schon recht kleinkariert, was mir Journalisten über seine Versuche berichteten, die Neuköllner Integrationspolitik madig zu machen oder ihre Erfolge an seine Fahne zu heften. Er traute sich einfach nicht zu uns, blickte neidvoll auf unsere praktische Arbeit, negierte sie in nahezu alberner Weise, was letztlich zu einer gegenseitigen, weiträumigen Umfahrung führte. Der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, dass er unter einer Neuköllnphobie litt. Inzwischen hat er sich dankenswerterweise anderen Aufgaben zugewandt. Vorher beglückte er Berlin aber noch mit seiner wohl grandiosesten Fehlleistung, dem »Gesetz zur Regelung von Partizipation und Integration«.
Dieses Gesetz aus dem Jahr 2010 hat einen schicken Namen. Es verheißt auch viel. Und dennoch werden die folgenden Zeilen über seine Inhalte zu einem humoristischen Teil dieses Buches.
Der Ehrgeiz des letzten rot-roten Senates war groß. Der des kleinen Koalitionspartners DIE LINKE war noch größer. Der Geschäftsbereich »Integration und Migration« oblag dem kleineren Koalitionspartner. Und so wollte dieser unbedingt mit dem ersten Gesetz eines Bundeslandes zu dieser Thematik in die deutsche Integrationsgeschichte eingehen. Es wurde eine formidable Bauchlandung. Eine Blamage ersten Ranges. Das einzige, was man diesem Gesetz zugute halten kann, ist, dass es niemandem schadet. Helfen tut es aber auch nicht. Zumindest nicht bei der Bewältigung der Integrationsprobleme. Es ist ein Placebo. Und damit hat man den Inhalt bereits abgehandelt.
Aber ich will Ihnen einen Blick in das Gesetz nicht vorenthalten. Außerdem gehört sich auch eine Begründung, wenn man das Werk anderer so niedermacht, wie ich es vorstehend getan habe.
Als erstes möchte ich eine Frage an Sie weitergeben: Was, würden Sie denken, sollte in einem Gesetz zur Regelung von Partizipation und Integration in Berlin wohl stehen? Welche Erwartungen würden Sie hegen? Ich für meine Person würde glauben, dass ein solches Gesetz sich mit dem Stand des Integrationsprozesses auseinandersetzt und dort, wo es noch Hemmnisse gibt, diese aufzeigt und Regelungen zur Abhilfe trifft. Also, wie gehen wir nun um mit den Sprachdefiziten bei den Kindern, wie gestalten wir die Elternarbeit, durch welche Maßnahmen versuchen wir die Bildungsferne in der Stadt zu beheben, wer sind unsere Partner dabei, wie professionalisieren wir unsere Bildungseinrichtungen für diese Aufgabe, welche Erwartungen haben wir an die Einwanderer und ihre Organisationen, und womit wollen wir die Kluft in der Stadt überbrücken und das weitere Auseinanderdriften verhindern?
Wenn diese oder ähnliche Fragen auch Sie bewegen und Sie Antworten in dem Gesetz dazu suchen, werden Sie eine herbe Enttäuschung erleben. Nichts davon werden Sie finden. Es sei denn, es reichen Ihnen die Botschaften von der Metaebene, dass sich »das Land Berlin zum Ziel setzt, Menschen mit Migrationshintergrund die Möglichkeit zur gleichberechtigten Teilhabe in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu geben und gleichzeitig jede Benachteiligung und Bevorzugung auszuschließen. Integration ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, dessen Gelingen von der Mitwirkung aller Bürgerinnen und Bürger abhängt. Erfolgreiche Integration setzt sowohl das Angebot an die Bevölkerung mit Migrationshintergrund zur Beteiligung als auch den Willen und das Engagement der Menschen mit Migrationshintergrund zur Integration voraus.« So heißt es in §1. Wenn Sie mit diesen Formulierungen, die einer mittelmäßigen Presseerklärung entnommen sein könnten, zufrieden sind, dann hat das Gesetz seinen Zweck erfüllt. Wenn Sie aber nach etwas mehr Substanz suchen, wird die Aufgabe schon anspruchsvoller.
Die erste Überraschung erlebt man bei der Erkenntnis, an wen sich das Gesetz überhaupt richtet und für wen es gilt. Nämlich für die Berliner Verwaltung und für private Institutionen, an denen das Land Berlin Mehrheitsbeteiligungen hält. Es ist also ein Gesetz, das man für sich selbst gemacht hat. Dann hätte ein Rundschreiben eigentlich auch gereicht.
Im Detail geht es nun darum, wie eine Beauftragte oder ein Beauftragter für Integration und Migration ernannt wird und wie lange die Amtszeit dauert. Man gründet einen Landesbeirat (den es längst gibt) und regelt umständlich, wer dazu gehört und wie er zustande kommt. Man kreiert Bezirksbeauftragte für Integration und Migration (die es ebenfalls längst gibt) – und dann ist das Gesetz schon zu Ende. Ach nein, es folgen ja noch einige Artikel zur Änderung bereits bestehender Gesetze. Die Hochschulen sollen durch mehr Öffentlichkeitsarbeit unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen zur Aufnahme eines Studiums animieren, und im Sportförderungsgesetz werden die Wörter »ausländische Mitbürger« durch die Wörter »von Menschen mit Migrationshintergrund« ersetzt. In diesem Stil geht es weiter. Aus »kirchlichen« Feiertagen werden »religiöse«. Und dann wird immer wieder geklärt, wer bei den Senioren, bei Bedürftigen, im Jugend- und Schulbereich ein Pöstchen besetzen darf.
Doch ich will nicht ungerecht sein. Zwei wesentliche Punkte habe ich Ihnen bisher unterschlagen. In den Bezirken werden Integrationsausschüsse eingerichtet. Was auf den ersten Blick noch halbwegs vernünftig aussieht, erweist sich auf den zweiten als Schildbürgerstreich: Existierten bisher auf der Bezirksebene Beiräte für Integration und Migration mit bis zu 27 Teilnehmern, so gibt es jetzt einen Ausschuss mit 15 Mitgliedern. Davon kommen allerdings nur sieben aus Organisationen außerhalb der Verwaltung. Auf gut deutsch, die Beteiligung der Einwanderer am Bezirksgeschehen wird reduziert und nicht ausgebaut. Insidern war von Anfang an klar: Das wird in der Praxis so nicht stattfinden. Ein Gremium, das erst einmal da ist, entwickelt immer einen beachtlichen Überlebenswillen. In diesem Fall sogar zu Recht. Das Ergebnis ist also: Wir haben jetzt zwei Gremien für dieselbe Thematik. Das ist echt innovativ.
Ach ja, und dann ist da noch die Sache mit den Toten. Der umfangreichste Teil des Gesetzes befasst sich mit den Fragen, ob Leichen aus religiösen Gründen in einem Leichentuch ohne Sarg bestattet werden dürfen, wie Särge beschaffen sein müssen, in denen die Leichen bis zum Grab transportiert werden, wie das mit der Wiederverwendung des Sarges ist, mit den Räumen für rituelle Waschungen und welche Schutzmaßnahmen bei der Leichenschau im Sinne der Hygiene und des Seuchenschutzes zu treffen sind. Man fasst es nicht. Nicht soziale Verwerfungen, Mängel des Schulsystems, Bildungsferne, Diskriminierung oder auch Kriminalität spielen in dem Gesetz eine Rolle, sondern der Umgang mit Toten in epischer Breite. Ich fragte bei der Diskussion um dieses Gesetz ein Senatsmitglied, warum das so gehandhabt worden ist. Die entwaffnende Antwort lautete: »Wir haben das reingeschrieben, damit überhaupt etwas drinsteht.« Dann passt es natürlich wieder und reiht sich ein in die bekannte Gaukler-Politik. Dabei gäbe es wirklich genug zu tun.
Sollten Sie nicht so ohne weiteres bereit sein, mir die vorstehende Geschichte abzunehmen, so klicken Sie sich doch einfach ins Gesetz.* Viel Amüsement.
In Neukölln-Nord wirken heute zehn Gebiete der »Sozialen Stadt« (ein elftes betrifft die Gropiusstadt im Süden). Insgesamt handelt es sich nach dem Urteil des 2011 verstorbenen Prof. Dr. Häussermann um einen »Sozialraum mit Ausgrenzungstendenz«. Davon gibt es insbesondere im Bezirk Mitte und in Friedrichhain-Kreuzberg noch weitere. Nach seinem »Monitoring Soziale Stadtentwicklung« ist davon auszugehen, dass mehr als 800 000 Menschen in Berlin in Gebieten mit einem sehr niedrigen Entwicklungsindex leben. Das vernichtendste Urteil von Prof. Dr. Häussermann war einmal der Satz: »Man muss in Berlin von einer gespaltenen Kindheit ausgehen. Immer mehr Kinder in Umgebungen mit immer größeren Problemen gegenüber Kindern in Umgebungen mit immer weniger Problemen.«
Die mahnenden Hinweise auf die bevölkerungspolitische und sozialintegrative Fehlentwicklung von Neukölln-Nord sind lange Zeit nicht zur Kenntnis genommen oder gar belächelt worden. Dies war der Grund für mich, Prof. Dr. Häussermann insgesamt dreimal zu bitten, sich gutachterlich über die sozioökonomische Entwicklung des Stadtteils zu äußern. Alle drei Gutachten sind im Netz unter www.berlin.de/ba-neukoelln/derbezirk/neukoellner_gutachten.html einseh- und abrufbar. Ich verzichte an dieser Stelle auf weitschweifige Wiederholungen aus den Gutachten. Dies schon aus dem Grunde, weil ihre Datenlagen aus 2005 bis 2009 inzwischen als veraltet anzusehen sind. Die Veränderungen vollziehen sich so rasant, dass es nicht adäquat erscheint, konkrete Ableitungen aus bis zu sieben Jahre alten Daten vorzunehmen. Insofern möchte ich lediglich die zentralen Ergebnisse wiedergeben, zu denen Prof. Dr. Häussermann gekommen ist.
Die Unterschiede im sozialen Status innerhalb Neuköllns haben sich nicht erst in jüngster Zeit herausgebildet, sondern bestehen bereits mindestens seit 2001.
Innerhalb Neuköllns zeigen die Gebiete mit einem hohen sozialen Status eine günstige Entwicklungstendenz, während die Gebiete im nördlichen Neukölln mit sehr niedrigem Status eine negative Dynamik aufweisen. Damit zeichnet sich eine größer werdende Ungleichheit hinsichtlich der sozialen Problemdichte ab, und der Abstand vergrößert sich.
Infolge des Zuzugs von Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft entstehen Verdrängungsprozesse durch den Wegzug der Deutschen. Seit 2001 ist eine stärkere Abwanderung von Familien mit Kindern unter sechs Jahren in den Süden Neuköllns zu verzeichnen.
Die Altbaugebiete in Neukölln üben eine anhaltende Attraktivität auf Zuwanderer aus dem Ausland aus. Die Zuzüge aus dem Ausland steigen kontinuierlich. Das Wanderungssaldo mit Bulgarien ist durchgängig positiv, mit Polen und der Türkei seit Jahren rückläufig.
Für Neukölln ist festzustellen, dass dort, wo die Probleme bereits hoch verdichtet sind, diese weiter zunehmen, während sie in Gebieten mit einer niedrigen Problemdichte nicht zunehmen. Wenn heute die Hälfte der Neuköllner Bevölkerung sogar am Rand der sozialen Ausgrenzung steht, dann werden das in zehn bis 15 Jahren ohne einsetzende Intervention zwei Drittel bis drei Viertel sein. Der Zustand für die Eingriffsebene Prävention ist in Neukölln längst überschritten. Es besteht
dringend stärkerer Interventionsbedarf der Landespolitik.