Der martialische Klang von Heer, Sturm und StahlKeiner kann etwas für seinen Namen. Aber die von Beate Zschäpes Verteidigern lesen sich, als habe die Angeklagte sie ausgesucht, um zu provozieren. Diese Art Hohn ist ein Mittel rechter Symbolik. Von Georg M. Oswald
"Wie kann man nur?" Diese Frage müssen sich Anwälte, die mutmaßliche Verbrecher verteidigen, immer wieder stellen lassen. Die Gegenfrage lautet jedoch: Wie wollen wir mit Menschen umgehen, die durch die Ungeheuerlichkeit ihrer Taten jeden Anspruch auf Verständnis verwirkt haben? Gerade juristischen Laien fällt es sehr schwer zu akzeptieren, dass auch für solche Täter die Unschuldsvermutung gilt, dass auch sie Anspruch auf ein faires Verfahren haben und dass dazu auch eine ordnungsgemäße Verteidigung gehört.
Warum ist das so? Durch die Einhaltung ihrer selbst geschaffenen Regeln kann eine Gesellschaft in solchen Fällen sich selbst und dem Täter beweisen, dass ihr Gerechtigkeit mehr bedeutet als Willkür, Legitimität mehr als Machtausübung. Für ein lohnendes Ziel kann das aber nur dann gehalten werden, wenn man aus Tätern keine Monster macht, sondern sich klarmacht, dass sie Menschen sind, wenn auch entsetzliche Menschen.
Dem Verteidiger muss es gelingen, die Distanz zu seinem Klienten zu halten und dennoch mit dafür zu sorgen, dass ihm ein rechtsstaatlicher Prozess gemacht wird. Mag sein, dass die hysterische Dämonisierung eines Attentäters, eines Massenmörders, eines Kinderschänders einem tiefen Bedürfnis entspricht. Unseren zivilisatorischen Standards werden wir jedoch nur gerecht, wenn wir einen anderen Weg wählen. Und dabei kommen wir ohne Anwälte für die Täter nicht aus. So weit die Theorie. Sie beantwortet jedoch nicht, wie sich Anwälte, die eine solche Aufgabe übernehmen, öffentlich präsentieren sollen.
Provozierende Präsentation der Breivik-Anwälte
Geir Lippestad, der Verteidiger von Anders Breivik, wählte einen Weg, den viele Menschen provozierend und geschmacklos fanden. Zusammen mit seinen Kollegen posierte er für ein Foto auf und um ein Sofa gruppiert. Sie tragen Anzüge in gedeckten Farben, nur einer Krawatte. Der links Sitzende hat lässig die Beine übereinandergeschlagen, der rechts Stehende den Kopf leicht gesenkt, wie in Erwartung eines Angriffs, den er souverän zu parieren gedenkt.
Die Gesichter der Abgebildeten sind ernst, aber keineswegs eingeschüchtert, sondern entschlossen. Sie wirken wie ein verschworenes Team, das sich auch von den ganz großen Fällen nicht einschüchtern lässt: zum Beispiel der Verteidigung eines Massenmörders. Ein Foto von den drei Verteidigern Beate Zschäpes, Heer, Stahl, Sturm zeigt sie ebenfalls so, wie Anwälte in Fernsehserien aussehen und wie sie sich gerne auf Homepages von Anwaltskanzleien darstellen. Smarte, entschlossene Anzug- und Kostümträger, die unerschrocken für die Rechte ihrer Mandanten eintreten.
So irritiert die norwegische Öffentlichkeit wegen dieses Fotos war, hatte man am Ende doch den Eindruck, dass Geir Lippestad sich seiner Aufgabe gewachsen zeigte: Weil er es verstand, in seinen öffentlichen Statements eine klare Grenze zwischen der Gesinnung seines Mandanten und seiner eigenen zu ziehen. Über das Foto von den Rechtsanwälten Heer, Stahl und Sturm wunderte sich schon keiner mehr. Bei ihnen liegt das Problem woanders.
Zschäpes Anwälte lassen sich instrumentalisieren
Kann man den drei Anwälten im Ernst vorwerfen, dass sie so heißen, wie sie heißen? Nein, das kann man nicht. Was man ihnen aber vorwerfen kann, ist mangelnder Sinn für Symbolik und das fehlende Gefühl dafür, dass sie sich instrumentalisieren lassen.
Es ist doch nicht zu übersehen: Die Namen der drei Verteidiger, Heer, Stahl, Sturm, lesen sich, als habe sie Frau Zschäpe sich ausgesucht, um zu provozieren. Sicher ist das ist nicht zu beweisen. Aber es ist auch nicht auszuschließen, was in diesem Fall schon ausreicht, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Symbolik spielt bei einem Verfahren wie diesem eine große Rolle. Rechtsradikale sind sehr geschickt darin, mit Symbolen zu spielen. Sie tun das schon längst nicht mehr mit Hakenkreuzen und SS-Runen.
Um mit dem Schlimmsten zu beginnen: Die Morde des NSU stellten sich den Ermittlern so überzeugend als Gewalttaten unter türkischen Einwanderern dar, dass sie eine Ewigkeit brauchten, bis sie auf die Täter stießen. Man kann es auch so formulieren: Der NSU hat es geschickt verstanden, die Fantasie der Ermittler zu lenken und die eigenen Ressentiments in deren Köpfe einzupflanzen, sollten sie dort nicht schon vorhanden gewesen sein.
Wie die Hauptangeklagte den Staat verspottet
Wie gelang dies? Indem sie ihre Taten nicht so aussehen ließen, wie "man" sich rechten Terror vorstellt, sondern wie "türkische Milieumorde". Das Ganze wurde dann auf einer DVD festgehalten und mit der Erkennungsmelodie von Paulchen Panther unterlegt. Eine harmlose Melodie. Man darf wetten, dass sie unter Rechtsradikalen heute Kultcharakter hat. Niemand kann sie mehr spielen, ohne an rechten Terror zu denken.
Ein anderes Beispiel: Immer wieder einmal sieht man junge Männer, auf deren T-Shirt steht: "Schwarze, Juden, Türken, Schwule, Lesben, alles nette Leute ..." Mit keinem rechtlich stichhaltigen Argument könnte man so einen Aufdruck verbieten, und doch versteht man seine Botschaft sehr genau. Die Justiz hinkt im Erkennen dieser Strategien hoffnungslos hinterher und verurteilt stattdessen die Träger durchgestrichener Hakenkreuze wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Wenn sich nun aber die Hauptangeklagte des NSU-Prozesses ein Verteidigerteam aus der ganzen Republik mit den Nachnamen Heer, Stahl und Sturm zusammenstellt, liegt die Vermutung ziemlich nahe, dass sie uns etwas damit sagen will. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Terrorist nicht glaubt, der Staat, den er bekriegt, bereite ihm ein faires Verfahren. Er wird deshalb nichts unversucht lassen, ihm Hohn zu sprechen.
Mängel beim Umgang mit öffentlichem Interesse
Hohn ist, wie angedeutet, ein Gestaltungsmittel rechtsradikaler Symbolik, die immer wieder sehr geschickt zum Einsatz gebracht wird. Der größte Hohn gegen Opfer wie gegen die Ermittler spricht aus den Taten des NSU selbst.
Vor diesem Hintergrund verwundert es, wenn behauptet wird, es sei "Zufall", die Verteidiger von Beate Zschäpe hießen so, wie sie heißen. "Frau Zschäpe hat sie gewählt. Auch bei der Auswahl von Pflichtverteidigern hat der Angeklagte ein Vorschlags- und Wahlrecht. Wenn kein wichtiger Grund entgegensteht, folgt das Gericht diesem Vorschlag und bestellt sie als Pflichtverteidiger. Ein "wichtiger Grund" zur Ablehnung sind die Namen rechtlich natürlich nicht. Bestimmt sind sie gute Strafverteidiger, doch davon gibt es viele, und wenn man merkt, dass man wegen seines Nachnamens instrumentalisiert wird, trifft man selbst die Entscheidung, ob man dies zulässt oder nicht.
Es heißt, die Bedeutung dieses Verfahrens bestehe auch in seiner Signalwirkung im In- und Ausland. Es liegt nahe, die Unfähigkeit des Gerichts, einen geeigneten Raum für das Verfahren zu finden, sinnbildlich zu verstehen. Vor fast 40 Jahren, wurde für den Stammheim-Prozess eigens eine Halle gebaut. Damals, in grauer Internetvorzeit, war man im Umgang mit öffentlichem Interesse offenbar wesentlich gewandter als heute.
Heer hält seine private Meinung für irrelevant
Die Stellungnahmen des Gerichts dazu sind knapp und ungenügend. Die Verteidigung jedoch reproduziert in eigener Sache die gleiche verbissene Sprachlosigkeit, die dem Gericht in der Frage der Presseakkreditierung vorgeworfen wird. Nun muss ein Verteidiger selbst wissen, ob er seine persönliche und berufliche Zukunft in unauflösliche Verbindung mit einem solchen Verfahren bringen will, und ob er dabei den auf der Hand liegenden Verdacht auf sich ziehen will, er habe sich nur wegen seines Namens in die Sache hineinziehen lassen.
Geir Lippestad hatte es verstanden, sich von Breivik und seinen Taten zu distanzieren. Das hinderte ihn nicht daran, seine Arbeit als Verteidiger zu tun. Im Gegenteil, es machte sie erst möglich. Wolfgang Heer hingegen sagt: "Meine private Meinung dazu [zum Verfahren gegen Zschäpe, Anm. d. Verf.] ist vollkommen irrelevant."
Mit dieser Einschätzung irrt er sich gewaltig, denn es käme gerade darauf an, auszuschließen, dass er und seine Kollegen von ähnlicher Gesinnung seien wie ihre Mandantin. Dies umso mehr, als der erste Anschein irritierend wirkt. Er könnte für einen Verteidiger Grund genug sein, das Mandat niederzulegen. Tut er es nicht, muss ihm klar sein, dass jeder Betrachter denkt, die Anwälte seien mit der Instrumentalisierung ihrer Namen einverstanden.
Sicher, verlangen kann das niemand. Es spielt rechtlich auch überhaupt keine Rolle. Manchmal verstehen Juristen jedoch nicht, dass etwas gerade deshalb besonders wichtig ist, weil es juristisch keine Rolle spielt.
Georg M. Oswald ist Schriftsteller und Jurist. 2012 kam im Piper-Verlag sein Roman "Unter Feinden" heraus. Soeben erschien bei Murmann "55 Gründe, Rechtsanwalt zu werden".
http://www.welt.de/kultur/article115910804/Der-martialische-Klang-von-Heer-Sturm-und-Stahl.htmlDer Artikel erschien in der Rubrik "Kultur"!